Themenheft der „Gens Nostra“ zu Einwanderung aus Deutschland
Das Heft 4/2025 von „Gens Nostra“, der niederländischen Zeitschrift für Familiengeschichte, Genetik und Heraldik, ist aktuell mit dem Schwerpunkt „Immigratie vanuit Duitsland“ erschienen. Das Themenheft zu Einwanderung aus Deutschland in die holländischen Provinzen ist auch für die genealogische Forschung hierzulande interessant. Herausgeber ist die Niederländische Genealogische Vereinigung (NGV).
Viele Niederländer haben Vorfahren aus deutschen Landen, denn seit dem Dreißigjährigen Krieg wichen immer wieder Menschen dem kriegerischen Druck. Dabei waren echte Flüchtlinge eher in der Minderheit. Die Provinzen zogen Saisonarbeiter, zukünftige Seeleute und Soldaten, Kaufleute sowie Menschen mit besonderen Berufe (z.B. Chirurgen) an, die oft ihre Heimat keineswegs auf Dauer verlassen wollten. Wissenschaftliche Untersuchungen über diese Wanderungsströme scheinen noch zu fehlen.
Beiträge von Experten der WGOD

Die Redaktion des Heftes wurde durch Experten der Werkgroep Genealogisch Onderzoek Duitsland (WGOD; etwa: Arbeitsgruppe Familienforschung Deutschland) verstärkt. So gibt Herman Beudeker, stellvertretender WGOD-Vorsitzender, eine Einführung und Tipps, wie man auch am heimischen Computer Forschung in Deutschland betreiben kann. Die Vielzahl von Fürsten- und Herzogtümern oder Grafschaften ist komplexer als in den Niederlanden. Auswanderer nannten bei der Ankunft in den Niederlanden meist nicht den kleinen Wohnort als Herkunft, sondern die nächstgrößere Stadt oder gar nur die Provinz bzw. das Gebiet. Wer also Oldenburg angab, stammte nicht aus der Stadt, sondern aus der größeren Grafschaft.
Für die Forschung im Internet werden Archion und Matricula (leider mit falschem Link, richtig ist matricula-online.eu) sowie FamilySearch genannt. Die vierte Quelle ist unser Verein für Computergenealogie (CompGen) mit den vielen Gratisangeboten.
Hollandgänger aus Deutschland
Der WGOD-Vorsitzende Jos Kaldenbach nennt in seinem Beitrag „Hollandgangers uit de Duitse landen“ viele Begriffe für die Saisonarbeiter, die beim Deichbau oder in der Landwirtschaft halfen. Die „Poepen“ (Buben) oder „Moffen“ (ein Schimpfwort) kamen mit ihren eigenen Sensen, Torfstechern oder Schaufeln zur Arbeit, während die „Kiepenkerle“ mit Handelswaren ihr Geschäft betrieben. Aus Niederlassungen für den Textilhandel entwickelten sich die Geschäfte von C&A, P&C, V&D und andere. Die Behörden in Deutschland befürchteten Verluste an Einwohnern und erhoben Amtsgelder von den Saisonarbeitern. In niederländischen Häfen heuerten Deutsche als Walfänger in Grönland oder Island an und fast eine halbe Million ging mit auf Fernost-Seefahrt; höchstens ein Drittel von ihnen kam wieder zurück.
Beschrieben wird, dass zur Forschung in Archiven eine Vielzahl von verschiedenen Orten in Deutschland aufzusuchen sind, dass aber mehr und mehr auch online erscheint. Im Gegensatz dazu bietet das weltweit größte Stadtarchiv in Amsterdam jetzt schon eine Stichwortsuche in vielen Quellen an. Die Vereinigung WGOD mit ihrer Bibliothek hilft jedem Fragesteller. Es findet sich hier auch ein Verweis auf die Metasuche und weitere Datenbanken von CompGen.
Über Arbeitsmigranten im 17. und 18. Jahrhundert berichtet Fred van der Zwan, Schriftführer der WGOD. Er nennt Zahlen zu den zwischen 1689 und 1710 angeworbenen Soldaten aus deutschen Ländern, Schweden und Dänemark, die etwa ein Drittel der niederländischen Infanterie ausmachten. Diese „Hollandgänger“, meist Heuerlinge, kamen aus ärmeren Gebieten. So zogen zwischen 1830 und 1880 zahlreiche Hannoveraner von den kargen deutschen Venn-Gebieten über die Grenze nach Drenthe, um dort nach Brandrodung – wie zu Hause – Buchweizen anzusäen, der als Viehfutter diente. Eine andere Gruppe von Arbeitsmigranten waren die „Hannekemaaiers“ (Mäher mit eigenen Handsensen), die aus den Grafschaften Bentheim und Lingen über die Grenze gingen. Aus dem gleichen Gebiet kamen auch die Gründer von Textilmanufakturen wie Dreesmann, Peek, Cloppenburg und Brenninkmeijer. Auch die Groninger Familie Vroom stammt aus dem Emsland.
Weitere Artikel behandeln spezielle Familien, z.B. Lampe aus Ankum mit ihren Geschäftsniederlassungen in Rotterdam und Den Haag, die Scharfrichterfamilien Kruse aus Goslar oder die Vorfahren von Willem Barend Fricke aus dem Herzogtum Lauenburg.
Das Heft ist interessant für alle, die sich mit der Migration in die Niederlande seit dem 17. Jahrhundert beschäftigen. Kenntnisse der niederländischen Sprache sind nützlich, wobei man heute aber schon am Mobiltelefon mit Kamera und Übersetzungsprogramm die Artikel entziffern kann. Wer damit Erfahrung hat, der möge sich bei der Newsrdaktion melden!