Konferenz Wien 2025: Digitise.Transform.Inspire
Die internationale Konferenz „Digitise.Transform.Inspire“ (DTI) vom 1. bis 2. September 2025 im Hotel „Imperial Riding School“, der ehemals kaiserlichen Militärreitschule in Wien, führte über 200 Personen aus vielen Ländern zusammen. Sie richtete sich vor allem an Menschen, die in Archiven an der digitalen Erschließung historischer Bestände arbeiten. Es waren aber auch Teilnehmer aus Organisationen von Archiv-Nutzern dabei, darunter mehrere aus Newsredaktion, Projekten und Vorstand des Vereins für Computergenealogie (CompGen).
Die drei im Tagungstitel genannten großen Themen bezogen sich auf die Digitalisierung von Archivdokumenten, auf ihre Transformation in lesbare Objekte und auf das Zusammenbringen und Verknüpfen sowohl der Daten als auch der Akteure zu einem lebendigen Netzwerk. Organisatoren und Förderer der Konferenz waren FamilySearch, ICARUS, Transkribus und der neu hinzugetretene Internationale Archivrat – International Council on Archives (ICA). Sophie Zechmeister (Wien) moderierte die Sitzungen.

Stephen Valentine (Vice President Europe/USA, FamilySearch), Birgit Kibal (ICARUS-Präsidentin) und Andy Stauder (READ COOP/Transkribus) begrüßten die Teilnehmer. Josée Kirps (ICA-Präsidentin) und Thomas Aigner führten in das Konferenzthema ein. Aigner sprach über seine Vision einer Welt, in der alle Archive komplett digitalisiert und in Daten transformiert sind – und damit Technologien vorantreiben, die unser Leben inspirieren, verbinden und bereichern. Er stellte die Deklaration zu „Digitise.Transform.Inspire“ vor, die im Rahmen des Treffens von vielen Teilnehmern und Organisationen unterzeichnet wurde (darunter von CompGen).

Internationale Akteure wollen Wandel vorantreiben
Gemeinsames Ziel der international tätigen Organisationen ist, Hindernisse bei der Digitalisierung historischer Dokumente und ihrer Transformation in nutzbare Informationen zu überwinden. Thomas Aigner von ICARUS betonte, dass keine neue Organisation gegründet werden solle. Es solle ein lebendiges Netzwerk ohne formale Strukturen entstehen, dessen Stärke in Koordination ohne Zentralisierung, in Partnerschaft statt Wettbewerb und einer Vision ohne Bürokratie besteht.
In einer Keynote berichtete Harry Verwayen, Generaldirektor von Europeana, über den Aufbau eines Datenraums (Data Space) für das kulturelle Erbe nach dem FAIR-Prinzip. Im Unterschied zu den Portalen der 2000er Jahre (wo es ums Finden von Angeboten ging) und den Plattformen der 2010er Jahre (wo Nutzern die Wiedernutzung ermöglicht wurde) bieten die Data Spaces der 2020er einen Austausch unter Gleichen. KI hier mit einzubringen verlangt Vertrauen. Und Vertrauen muss organisiert und diskutiert werden.
In der anschließenden Runde sprachen Thomas Hengst (Field Relations Manager Zentraleuropa FamilySearch), Andy Stauder, Vlatka Lemić (ICARUS), Russ Wilding (Chief Content Manager MyHeritage) und Nikolai Donitzky (Managing Director Ancestry) über ihre jeweils eigene Sicht auf die Digitalisierung und die aus ihrer Unterschiedlichkeit resultierende „Macht der Zusammenarbeit“. Gemeinnützige bzw. nicht gewinnorientierte Organisationen (FamilySearch, READ-COOP, ICARUS) einerseits, kommerzielle Akteure andererseits folgen unterschiedlichen Prinzipien. Sie können sich gegenseitig aber in hohem Maße unterstützen.
DIGITISE – PROTECTING THE PAST
In der Podiumsdiskussion am Nachmittag wurden Beispiele aus der Praxis gezeigt: Günter Mühlberger (Universität Innsbruck) demonstrierte einen Roboter zum Scannen von empfindlichen Meldezetteln im Karteiformat. Torsten Kux (FamilySearch) zeigte, dass auch bei digitaler Speicherung Daten verloren gehen können: nicht nur durch physikalische Prozesse, sondern auch durch das Vergessen älterer Techniken und Formate. Aus dem ungarischen Staatsarchiv führte Zoltan Szatucszek die KI-Anwendung für die Erschließung der handschriftlichen Kriegsgefangenen-Kartei, der Volkszählungslisten von 1828 und den Standesamtsregistern 1895–1980 mit eigenen Texterkennungsmodellen vor. Alexander Schatek (ICARUS) präsentierte die Topothek zur Präsentation von Bildern aus privaten Quellen.
TRANSFORM – RETHINKING ACCESS AND USE
Andy Stauder stellte Transkribus als einen immer leistungsfähigeren KI-Werkzeugkasten vor, also eine spezialisierte und präzise Anwendung im Unterschied zu den großen Sprachmodellen (wie ChatGPT), die als „Schweizer Taschenmesser“ alles zu können versuchen. Die neuen Smart-Extract-Modelle beruhen auf einer veränderten Architektur. Sie können komplexe Textstrukturen (z.B. zu ineinander verschachtelten Familien) extrahieren und laufen auf energieeffizienter Hardware. Transkribus geht inzwischen über die klassische Texterkennung weit hinaus. Es geht – entgegen dem angeblichen „Tod der Metadaten“ – darum, in Texten Entitäten und Strukturen zu erkennen und sie (ähnlich wie es CompGen beim Zentrum der Projekte anstrebt) mit KI und Federated-Search-Techniken zu entschlüsseln.
Über weitere Praxisbeispiele zur KI-Anwendung in Archiven berichtete Ines Vodopivec von AI for Libraries, Archives and Museums (AI4LAM) über ein norwegische Zeitungs-Digitalisierungsprojekt, Jiří Peterka über die Digitalisierung im Regionalarchiv in Opava (CZ) und Anabella Barroso zur Kirchenbuchdigitalisierung im Kirchenarchiv von Bilbao, Spanien. Aus dem schwedischen Reichsarchiv demonstrierte David Haskiya Ergebnisse aus der Arbeit des KI-Labors im Reichsarchiv, über die wir hier im Blog bereits berichtet haben.
INSPIRE – EMPOWERING COMMUNITIES
Den zweiten Vormittag mit Podiumsdiskussion und Rundem Tisch co-moderierte Hélène Oppatja vom CBG in Den Haag/NL. Teilnehmer waren Kerstin Arnold von der Archives Portal Europe Foundation, Pauline van den Heuvel (Stadtarchiv Amsterdam/NL), die über transkribierte Dokumente zu Rembrandt berichtete, Léon Robichaud (Sherbrooke University/CA), und Frédéric Kaplan (Technische Hochschule Lausanne/CH), der „Erfinder“ der Time Machine.
In der abschließenden Runde zeigte sich, dass das gemeinsames Ziel der international tätigen Organisationen ist, die anhaltenden Hindernisse bei der Digitalisierung historischer Dokumente und ihrer Transformation in nutzbare Informationen zu überwinden und die internationale Zusammenarbeit zu fördern. Thomas Aigner von ICARUS wünscht sich eine internationale Gemeinschaft, die das kulturelle Erbe teilt und sich gegenseitig respektiert. Einzelpersonen und Institutionen sollen die Wächter der Geschichte sein und sie in der Zukunft weitertragen. Konkreter Ausdruck der Zusammenarbeit ist die Ankündigung eines nächsten Treffens, das im Rahmen der Rootstech stattfinden soll.

Am Nachmittag bestand die Gelegenheit zum Besuch des Haus-, Hof- und Staatsarchivs am Minoritenplatz 1 im Wiener Zentrum.