Die Schuldbriefe in den Briefprotokollen des Landgerichts Griesbach von 1604 bis 1629
Ulrich Demlehner hat eine weitere Arbeit als Ergebnis seiner umfangreichen Forschungen zu den Briefprotokollen des altbayerischen Landgerichts Griesbach veröffentlicht. Hier die Zusammenfassung des 54-seitigen Beitrags, der frei als PDF auf Zenodo, der kostenlosen Publikationsplattform für wissenschaftliche Online-Publikationen, heruntergeladen werden kann. Mehr zur Plattform Zenodo und den weiteren veröffentlichten Arbeiten von Ulrich Demlehner findet man hier im Blog des Vereins für Computergenealogie (CompGen).

Quelle: StA Landshut Pfleggericht Griesbach (Rep. 216/6) P2
Ein Drittel der Dokumente sind Schuldbriefe
Diese Studie analysiert alle rund 2.900 Schuldbriefe, die zwischen 1604 und 1629 in den Briefprotokollen des altbayerischen Landgerichts Griesbach dokumentiert wurden. Sie stellt somit die umfangreichste mit Regesten erschlossene Sammlung von Kreditverträgen aus dem ländlichen Altbayern der frühen Neuzeit vor. Die Schuldbriefe folgen einem standardisierten Aufbau und enthalten zentrale Regelungen zu Bürgen, Zinsterminen, Kündigungsfristen sowie, falls relevant, zur Mithaftung für Ehefrauen.
Schuldbriefe nur an Grundbesitzer
Die numerische Analyse zeigt, dass Kredite über Schuldbriefe ausschließlich an Schuldner mit Grundbesitz vergeben werden – ihr Grundbesitz diente analog zu einem Hypothekendarlehen als Sicherheit, ohne dass dies im Vertragstext ausdrücklich vereinbart wird. Der deutlich größere Teil der Bevölkerung, der über keinen Grundbesitz verfügt, erscheint daher nicht in den Schuldbriefen und war im Rahmen der „Economy of Obligations“ auf informelle mündlich vereinbarte Kredite angewiesen. Die Besicherung der Kredite erfolgt weit überwiegend durch Bürgen und nur in wenigen Fällen durch dingliche Sicherheiten, was die Bedeutung persönlicher Netzwerke unterstreicht.
Ergebnisse
Ein zentrales Ergebnis der Studie ist die Beschreibung der drei Kategorien von Gläubigern und ihrer unterscheidbaren Strategien bei der Kreditvergabe. Die wichtigste Kategorie stellt Mündelgut (Erbe minderjähriger Kinder) dar, das Vormünder als Kredit ausreichen, um sichere Zinserträge für die Kinder zu erzielen. Institutionelle Gläubiger (weit überwiegend Kirchen) vergeben Kredite aus Überschüssen, wobei sie ersichtlich eine lokal fokussierte konservative Vergabestrategie verfolgen. Private Kreditgeber dagegen verfolgen auch risikoreichere Ansätze und greifen teilweise deutlich über das Netzwerk der persönlichen Bekanntschaft hinaus.
Die Studie belegt, dass schriftlich vereinbarte Kredite ergänzend zu den in der Literatur viel diskutierten informellen Kreditbeziehungen ein zentraler und flächendeckender Bestandteil des wirtschaftlichen Lebens in der bäuerlichen Gesellschaft der frühen Neuzeit waren. In dieser Gesellschaft existierten zwei Ebenen der Kreditvergabe und in zahlreichen Schuldbriefen werden Fälle greifbar, in denen die informelle Ebene der mündlichen Vereinbarungen verlassen und zur schriftlichen Ebene übergewechselt wird. Dies bedeutet zwangsläufig, dass nicht jeder Schuldbrief mit einem Geldfluss verbunden war.